Thomas Keuschen: Techniker im Hochschulstudium
In der bildungspolitischen Debatte nimmt das Konzept des lebenslangen Lernens eine herausragende Rolle ein. Dies ist dem Hintergrund der Globalisierung sowie der Standortsicherung, der zunehmenden Akademisierung innerhalb der Berufswelt, dem demografischen Wandel und den OECD-Bildungsvergleichs-studien geschuldet. In einigen Bereichen, jedoch vor allem in den sogenannten MINT-Berufen, ist der Fach- und Führungskräftemangel heute schon deutlich spürbar geworden. Zur Bekämpfung dieses Fach- und Führungskräftemangels sind individuelle Bildungsbiografien mehr denn je zu berücksichtigen. Meister, Techniker und Fachwirte zählen zur Säule der beruflichen Bildung, Bachelor- und Master zur Säule der akademischen Bildung. Eine zentrale Stellung nimmt seit Jahren die Frage nach der Durchlässigkeit und dem Übergang zwischen den Bildungssäulen ein. Seitens der Politik wird eine Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen immer mehr gefordert. Zumal davon ausgegangen wird, dass das Qualitätsniveau und die Qualitätssicherungssysteme beider Bildungssäulen zwar Unterschiede ausweisen, aber auf gleichem Niveau sind, was eine Annäherung beider Bildungsbereiche bedeutet.
Staatlich geprüfte Techniker werden innerhalb des beruflichen Weiterbildungssystems für hochqualifizierte technische Tätigkeiten ausgebildet. Erfahrungsgemäß zeigt diese Personengruppe großes Interesse an einer akademischen Weiterqualifizierung im Bereich der Ingenieurwissenschaften. Trotz zahlreicher Forschungsbemühungen, wurde die Personengruppe der staatlich geprüften Techniker bis lang nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund wurde das Projekt „Bestandsaufnahme und Rahmenbedingungen zum Erfolg von Technikern im Hochschulstudium“ (Beratec) hervorgebracht. Peter Schühly, 1. Vorsitzender des Vereins der Techniker e.V., hat mit seinem entgegengebrachtes Engagement die Studie initiiert und dafür Sorge getragen, dass die Projektbeteiligten sowie der Projektförderer, die Hans-Böckler-Stiftung, an einem Tisch kamen. Projektbeteiligte waren Herr Professor Dr. Matthias Klumpp vom Institut für Logistik und Dienstleistungsmanagement (ild) und Frau Professorin Dr. Bianca Krol vom KompetenzCentrum für Statistik und Empirie (kcs) der FOM Hochschule. Im Rahmen dieses Projektes wurden Techniker befragt, die ein Hochschulstudium erfolgreich absolvierten, aktuell in einem eingeschrieben sind und die, die ein Studium abgebrochen haben. Mit Hilfe von qualitativen Interviews wurden folgende Forschungsfragen näher beleuchtet:
- Warum haben die interviewten Personen nach Beendigung des staatlich geprüften Technikerabschlusses sich für ein Hochschulstudium entschieden?
- Wurden seitens der Hochschulen Vorqualifikationen anerkannt und wenn ja nach welchen Regeln erfolgten diese Anerkennungsverfahren?
- Welche Erfahrungen haben die befragten Techniker im Hochschulstudium gemacht und was haben sie als schwer oder leicht empfunden?
- In welchen Bereichen gab es aus Sicht der Interviewten wahrgenommene Schwierigkeiten, die für die Aufnahme und/oder Durchführung des Studiums hinderlich waren?
Die drei Bereiche Karriere, Bildung und persönliche Entwicklung wurden von den Befragten als Hauptmotive zur Aufnahme eines Studiums genannt. Neben den verbesserten Karrieremöglichkeiten und dem Interesse an der gewählten Weiterbildungsmaßnahme war ein Beispielzitat: „Ich komme aus dem technischen Bereich und zum Zweck der Selbstverwirklichung wollte ich noch ein Studium in Betriebswirtschaft machen.“ Die Wahl des Studienfaches steht in Abhängigkeit zu der aktuellen beruflichen Situation, das persönliche Interesse und die jeweilige Vorbildung. Ein Techniker äußerte sich dazu wie folgt: „Ich habe gesehen, wie das Management in meiner Firma läuft und dachte: „Das bekomme ich auch hin“.“
Eine weitere Frage im Rahmen der Untersuchung beschäftigte sich mit Regelungen bezüglich der Anerkennung der Vorqualifikation. Die Befragten schilderten, sie hätten Regeln diesbezüglich nur bedingt wahrnehmen können. Hochschulen erkannten größenteil nur Praktika als Studienleistungen an.
Auch Kenntnisse, die die Befragten im Rahmen ihrer Technikerausbildung vermittelt bekamen, ließen sich bei dem ein oder anderen anwenden und konnten vertieft werden. Im Bereich EDV, Mathematik und Statistik konnten einige Befragte auf Vorkenntnisse aus ihrer Technikerausbildung zurückgreifen. So gab ein staatlich geprüfter Techniker an: „Ich denke, durch den Techniker bin ich sehr gut vorbereitet. Der Techniker war im Prinzip so etwas wie ein Vorstudium.“ Ein weiterer Befragter gab an, Mathematik und Physik gut zu beherrschen. In einzelnen Fällen hingegen wurde entgegen der Erwartungen Mathematik oder Statistik als eine besondere Schwierigkeit im Studium genannt. Neben den geschilderten Schwierigkeiten zeigte sich auch, dass die bereits gemachten Lernerfahrungen eine große Rolle spielen, ob ein Studium erfolgreich abgeschlossen wird oder nicht. Wer das Lernen gewohnt ist, kann sich besser organisieren und sich auf Seminare und Klausuren vorbereiten. So gab ein befragter Techniker an: „Zudem war ich das Lernen gewohnt und konnte das Studium gut organisieren.“ Argumente, die die Befragten für einen Abbruch des Studiums hingegen angaben, waren persönliche Gründe, die Anforderungen des Studiums oder die Tatsache, dass die Befragten zu lange aus dem Lernprozess raus sind. Beispielzitate waren in dieser Rubrik: „Abstand zum Schulleben war für mich persönlich zu groß, für den Techniker an sich aber nicht.“
Bei den zu bewältigenden Hürden seitens der Hochschulen herrschte bei den Befragten weitgehend Konsens. Es gibt keine „technikerspezifischen Hürden“. Nicht die formale Vorqualifikation, sondern die gesamte Bildungsbiografie muss ein besonderes Augenmerk einnehmen. Erfahrungsgemäß zeigte sich auch in der durchgeführten Studie, dass diejenigen mit einem schlechteren Schulabschluss auch die größeren Schwierigkeiten im Studium haben.
Die Meilensteine zu der erfolgreich durchgeführten Studie wurden im Vorfeld gesetzt. Das Foto zeigt die beteiligten Partner bei einer Projektbesprechung:
Darüber hinaus wurde der Netzwerkaspekt, also die Kontakte zu anderen Menschen als besonders positiv bewertet sowie die gemachte Lern- und Entwicklungserfahrung. Hier konnten Aussagen wie zum Beispiel „Habe viele Leute kennengelernt“ oder „man lernt viel und ändert seine Einstellung zu vielen Dingen“ gewonnen werden. Von Aufstiegserfolgen berichteten die befragten Techniker weniger häufig. Dies liegt an dem geringen Zeitabstand zwischen dem Abschluss der Befragten und die zur Verfügung stehender Zeit zur beruflichen Entwicklung. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass es nicht „den Techniker im Hochschulstudium“ gibt, sondern dass alle Befragten unterschiedliche Vor- und Nachteile mitbrachten. Es gilt sich vom „Schubladendenken“ zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu verabschieden. Insbesondere für die, die lange aus dem Lernen raus sind und diejenigen, die mit einem schwächeren Eingangsniveau starten sind entsprechende Maßnahmen vermehrt zu etablieren.
Im Rahmen dieses Beitrages wurden nur einige Aspekte vorgestellt. Die komplette Studie kann unter http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2010-408-5-1.pdf entnommen werden.